Was sagt die Wissenschaft zum Mountainbiken im Wald?
Unterlagen der Pressekonferenz vom 27. November 2015 die Gesprächspartner
- Prof. DDr. Ulrike Pröbstl-Haider, Landschaftsentwicklung, Erholung und Tourismus, Universität für Bodenkultur, Wien
- Prof. Dr. Dagmar Lund-Durlacher, MODUL University Vienna, Leiterin Department of Tourism and Service Management
- Präsident Franz Titschenbacher, Vorsitzender Forstausschuss LK Österreich
Pressemitteilung – MTB-Ökologie-Tourismus
Ökologische Aspekte des Mountainbikens im Wald (U. Pröbstl-Haider, C. Hödl, H. Hasenauer)
Fakten
zum Mountainbiken im Wald
Seit einigen Monaten fordert eine Gruppe an Mountainbikern ihre selbst als „illegal“ bezeichneten Aktivitäten durch eine Novellierung des § 33 Forstgesetz zu legalisieren. Unterstützt wird diese Forderung von der Organisation „Naturfreunde Österreich“. Die Fakten zum Thema sind eindeutig:
- In Österreich sind rund 28.000 km Mountainbike-Routen auf vertraglicher Basis freigegeben. Tendenz steigend.
- Der Wald in Österreich ist zu 80 % in privater Hand und gehört rund 142.000 Familien (Vergleich Schweiz: 29 % privat; Deutschland: 48% privat).
- Wald und Holz schaffen Arbeitsplätze. Daher ist die Forststraße auch Arbeitsplatz. Rund 300.000 Menschen erzielen aus der Waldbewirtschaftung und Verarbeitung von Holz ein Einkommen. Die aus Naturschutzgründen schmalen Forststraßen sind nicht auf freien Radverkehr ausgelegt. Die Sicherheit aller Forststraßenbenutzer wäre massiv gefährdet.
- Eine Studie der BOKU zum Radfahren im Wienerwald besagt, dass sich 30% der Mountainbiker nicht an die offiziellen „Fair-Play-Regeln“ halten.
- Eine im 1. Quartal 2015 im Auftrag der LK Österreich durchgeführte GfK-Umfrage belegt, dass 93% der ÖsterreicherInnen in erster Linie im Wald spazieren gehen oder wandern.
- Ebenso sind 87 % der österreichischen Bevölkerung der Meinung, dass Mountainbiken nur auf eigens dafür gekennzeichneten Wegen und Routen erlaubt sein soll.
- Für 25 % der Erholungssuchenden im Wald sind getrennte Wege für Wanderer und Radfahrer ein „Muss“.
- 91 % der ÖsterreicherInnen empfindet Mountainbiker, die nicht auf den dafür vorgesehenen Wegen fahren, als störend für andere Waldbesucher und Wildtiere.
- Jährlich werden in Österreich durch den Sportartikelhandel rund 150.000 Mountainbikes – vor allem an Jugendliche – verkauft. Diese sind damit zu 90 % auf asphaltierten Straßen unterwegs.
- Gemäß Statistik bmvit befinden sich in Österreichs Haushalten rund 3,1 Mio. geländegängige Fahrräder. Gemäß GfK-Umfrage benutzen rund 640.000 Fahrrad-Besitzer > 16 Jahre ihr Rad auch im Gelände; zu 90 % auf den dafür vorgesehenen und gekennzeichneten Routen.
- 75 % der ÖsterreicherInnen betrachten das Wege- und Routennetz für Mountainbiker als ausreichend
- Gemäß Tourismus-Monitor Austria Befragung sind 47 % der Touristen mit dem Mountainbike-Angebot „sehr zufrieden“. Nur 1 % war „eher enttäuscht“.
Der Österreichische Forstverein lehnt daher die Forderung nach einer Änderung des § 33 Forstgesetz entschieden ab, spricht sich aber gleichzeitig für die Ausweitung vertraglicher Lösungen im Falle konkreter Nachfrage nach Mountainbikerouten vor Ort aus.
Hintergrundinformation
Das Recht zum freien Betreten des Waldes zu Erholungszwecken ist eine Errungenschaft, die nicht mehr wegzudenken ist. Aus zahlreichen Gründen sind andere Aktivitäten wie z.B. das Radfahren, Zelten, Reiten oder Anlegen von Langlaufloipen nur mit Zustimmung des Grundeigentümers erlaubt. In Österreich sind rund 27.000 km Mountainbike-Routen auf vertraglicher Basis freigegeben. Nicht alle Routen sind klassische Forstwege; es sind asphaltierte Wege aber auch bereits Wanderwege (Singletrails) darunter, so findet jeder Biker seinen individuellen Schwierigkeitsgrad. Eine im Februar 2015 durchgeführte Meinungsumfrage von GfK besagt, dass 75 % der ÖsterreicherInnen das Wege- und Routennetz für Mountainbiker in Österreich als ausreichend ausgebaut betrachten. Der zusätzliche und steigende Bedarf an attraktiven Radrouten abseits der vorhandenen Forststraßen wird von den Waldeigentümern erkannt. Wo dieser artikuliert wird, sind die meisten Grundeigentümer bemüht, im Miteinander zu vertraglichen Lösungen zu gelangen. Das Mountainbikemodell 2.0 des Landes Tirol ist ein international herzeigbares Beispiel. Damit kommt es vor Ort zu einer Win-Win-Situation und nicht zu einem Zustand, wo mit Ausnahme einiger weniger Extrembiker alle anderen –inklusive Wanderer und Waldbesitzerfamilien – die Verlierer sind. Dennoch fordert seit einigen Monaten eine kleine aber lautstarke Gruppe an Extrembikern ihre selbst als „illegal“ bezeichneten Aktivitäten zu legalisieren. Es ist demokratiepolitisch höchst bedenklich grundsätzlich „illegale“ Aktivitäten per Gesetzesänderung legalisieren zu wollen, wenn dies eine aktionistische Gruppe fordert. Dieser Logik folgend müsste sofort die Geschwindigkeitsbeschränkung auf Autobahnen – so wie in Deutschland – aufgehoben und damit alle „Schnellfahrer“ legalisiert werden.
Wald in Österreich ist privat
Der Wald in Österreich gehört zu 80 % privaten, insgesamt rund 142.000 Familienbetrieben. Nur 20 % sind öffentlicher Wald (Bundesforste, Gemeinden, Länder). Dies ist ein großer Unterschied zu benachbarten Staaten wie der Schweiz – 71 % öffentlicher Wald; Deutschland – 52 % öffentlicher Wald oder Italien – 44 % öffentlicher Wald. Zusätzlich ist in diesen Ländern auch die Bewirtschaftung des Privatwaldes bis ins kleinste Detail von Bewilligungen durch Behördenorgane abhängig oder wird gar durch diese selbst durchgeführt. In Österreich tragen die Waldbesitzer mit einem hohen Maß an Eigenverantwortung für die Sicherstellung einer Vielzahl an Waldleistungen für die Gesellschaft bei. Eine weitere Fremdbestimmung, Entmündigung oder gar Enteignung wäre ein politisch fatales Signal für die gesamte Bevölkerung. Die Identifizierung mit dem Eigentum ist in Österreich sehr stark ausgeprägt.
Freie Fahrt im Wald – Konflikte vorprogrammiert
Genannte GfK-Studie besagt, dass 93 % der ÖsterreicherInnen in erster Linie im Wald spazieren gehen und wandern wollen. Eine überwältigende Mehrheit von 91 % empfindet Mountainbiker, die nicht auf den dafür vorgesehenen Wegen fahren, als störend für andere Waldbesucher und Wildtiere. Eine generelle Öffnung des Waldes für Mountainbiker hätte fatale Folgen für die Sicherheit anderer Waldbesucher und den Schutz der Wildtiere. Dies erkennt auch die österreichische Bevölkerung und dürfte der Grund dafür sein, dass 87 % der Meinung sind, dass Mountainbiken nur auf eigens dafür gekennzeichneten Wegen und Routen erlaubt sein soll. Für 25 % der Erholungssuchenden im Wald sind getrennte Wege für Wanderer und Radfahrer überhaupt ein „Muss“. Genau das ist bei einer generellen Öffnung des Waldes aber nicht möglich – dies funktioniert nur auf Basis der aktuellen Rechtslage und der Möglichkeit zur konfliktfreien Besucherlenkung. Die ÖsterreicherInnen sehen keine Notwendigkeit, die Wälder generell für Radfahrer zu öffnen, vielmehr fühlen sie sich durch Mountainbiker abseits der dafür vorgesehenen Wege gestört.
Lenkung der Freizeitgesellschaft – dringlicher denn je
Die „muskelbetriebene“ Mobilität ist grundsätzlich eine umweltfreundliche Art der Fortbewegung. Aber nicht jede Aktivität, die ohne Verbrauch fossiler Treibstoffe erfolgt, ist gleichzeitig auch naturnahe oder ökologisch. Tatsächlich hat sich seit der Öffnung des Waldes 1975 vieles geändert. Der Druck der Freizeitgesellschaft ist vielgestaltig: Drachenflieger, Paragleiter, Geo-Catcher, Orientierungsläufer, Schifahrer, Mountainbiker aber auch E-Biker und Motorradfahrer fordern ihr Recht auf Fitness und Erholung. Ebenso hat sich im Naturschutz seit der „Waldöffnung“ außerordentlich viel getan. Die Waldbesitzer sind mit der umfangreichen Ausweisung an Natura 2000-Gebieten (> 50 % davon sind Wald) und damit verbundenen Beschränkungen konfrontiert. Aber auch die Lebensräume der Wildtiere sind durch den steigenden „Freizeitdruck“ auf den Wald bereits sehr eingeschränkt. Ungeregelter Mountainbikerverkehr würde Wildtiere zusätzlich beunruhigen und ein massiver Störfaktor z.B. während der Balz- und Brutzeit sein. Es braucht heute verstärkt Ruhezonen für die Wildtiere und einer naturverträglichen Besucherlenkung, um künftig Wildschäden am Wald zu verhindern. Die bedarfsorientierte Ausweisung von Radrouten vor Ort ist ein internationales Vorbildmodell, das es ermöglicht, flexibel auf die Bedürfnisse aller Waldbesucher und Nutzergruppen abzustellen. Der Schutz der Natur darf nicht bei der Sozialpflichtigkeit der Waldeigentümer enden, sondern muss alle Nutzergruppen umfassen. Übrigens stimmen 73 % der ÖsterreicherInnen der Aussage zu, dass Radfahren in geschützten Wäldern generell verboten sein soll. Vieles spricht daher weiterhin für eine gezielte Lenkung, so wie dies das Forstgesetz bereits heute vorsieht.
Österreich-Urlauber mit Angebot zufrieden
Laut Tourismus-Monitor Austria (T-MONA)-Befragung aus dem Jahr 2013/14 sind 47 % der Gäste mit dem Mountainbike-Angebot „sehr zufrieden“ und nur 1 % war „eher enttäuscht“. Also auch in dieser Befragung sind die Unzufriedenen eine klare Minderheit. Das Tiroler Mountainbike-Modell 2.0 baut auf vertragliche Lösungen. Mit einem attraktiven Angebot für Mountainbiker hat man die Möglichkeit, sich von der Masse abzuheben und somit einen wirtschaftlichen Vorteil für den Tourismus in der Region zu lukrieren. Dieser Effekt würde bei einer generellen Freigabe von Forststraßen und Wegen wegfallen. Eine gute Entwicklung des Tourismus in Österreich hängt sicherlich nicht von einer generellen Öffnung des Waldes für Mountainbiker ab. Im Gegenteil ist davon auszugehen, dass sich die Konflikte zwischen Mountainbikern und Wanderern verschärfen werden.
Schlussfolgerung
Der Wald in Österreich ist vielfach Schutz-, Erholungs-, Wohlfahrts-, Lebens- und Wirtschaftsraum zugleich. Die Benützung des Waldes zu Erholungszwecken ist daher auch im §33 Forstgesetz geregelt und vom Gesetzgeber bewusst auf das Betreten beschränkt, um die Erfüllung aller Waldwirkungen bestmöglich zu gewährleisten. Bei konkreter Nachfrage nach zusätzlichen Mountainbike-Routen sind auch weiterhin der Interessenausgleich aller Nutzergruppen und vertragliche Lösungen vor Ort der einzige Ansatz, der einer Gesamtverantwortung für den Wald gerecht wird. Eine Ausweitung der „Wegefreiheit“ im Wald gefährdet dieses System und wird aus vielerlei Sicht strikt abgelehnt.